Mit Herz und Hand. Zu Besuch in der Velowelt Leipzig.
Vielfalt ist das Zauberwort. In der Reudnitzer Velowelt dreht sich alles ums Rad. Aber doch auf eine sehr liebevolle und vielseitige Art und Weise. Geschäftsführer und Radenthusiast Alexander Sarodnik führt mich bei einer Tasse Kaffee durch den geräumigen Laden mit der anschließenden Werkstatt. Trotz der sonst üblichen Vormittagsruhe herrscht ein geschäftiges Treiben. Kein Wunder bei dem strahlend blauen Himmel und den noch angenehmen Temperaturen. Gleich der nächste, aufgeregte Kunde benötigt einen Bolzenschneider, um sein Fahrrad von seinem Schloss zu befreien, in dem sich der restliche, abgebrochene Schlüssel befindet. Alex grinst nur leise und überreicht die Zange. Wenige Minuten später bekommt Alex den Schneider zurück. Die nächste Frage an der Theke bringt uns alle kurz zum Lachen. „Verkaufst du eigentlich auch Räder?“ – wer den Blick kurz schweifen lässt, entdeckt eine Auswahl an Stadt- und Rennrädern, Kinder-, Mountainbikes, Lasten-, Spezial- sowie Liegerädern im Laden. Dazwischen finden sich immer ein paar Exoten für die verschiedensten Anwendungszwecke, Persönlichkeiten und Mobilitätsansprüche, sowie Anhänger für die Reise, Lasten- oder Kindertransport.
Den „Kai aus der Kiste“ gibt es auf Nachfrage aber auch. Für gebrauchte Teile verweist Alex an die Selbsthilfewerkstatt „Radsfatz“ in der Eisenbahnstraße 113b. Wieder ein glücklicher Kunde, der die Velowelt verlässt. Eigentlich gibt es nichts, was Alex und sein Team nicht über Räder wissen oder erlernen wollen. Noch vor kurzem kaufte Alex zufällig ein altes Rad auf, dass sich als Diamant-Berufsfahrrad aus den 1930er Jahren herausstellte und nun von ihm restauriert wird. „Automatisch fängt man an sich zu belesen und in die Materie des Rades einzutauchen. Du lernst immer Neues. Das ist das Schöne am Fahrrad“, lächelt er. Ein Fahrrad deckt jede Couleur an Mensch ab. Für manche ist ein E-Bike ein Einstieg. Den Hipster. Den Banker. Die Familie ohne Auto. Den Alltagsradler. Den Sportler. Die Pendler mit Falträdern. Die Liebhaber und Sammler, die mit Fundstücken von befreundeten Radläden oder dem ehemaligen deutschen Radrennfahrer Günter Haritz versorgt werden. Seit 2001 empfängt der Radladen Velowelt alle KundInnen, die sich gern auf dem Rad fortbewegen wollen. Angefangen hat alles auf der kleinsten Straße Europas, im Tiefen Osten von Leipzig, verborgen im Keller. „Der Witz war: Wir wollten eigentlich nur schöne Räder für uns bauen. Dann kamen immer mehr Anfragen“, lacht der studierte BWLer und Germanist Alex. Schnell kommt er an den Punkt, an dem er sich entscheiden muss. „Entweder machst du etwas, was dir Spaß macht oder, womit du viel Kohle verdienst. Im Idealfall hast du einen Spagat von beidem. Das ist jetzt mein Spagat“.
So tauschte Alex das Businesshemd gegen Kettenfett, verschmierte Hände und den schönen Satz hinterm Tresen: „Was hast du auf dem Herzen?“. So wird eigentlich jeder im Laden begrüßt. Vor knapp zwei Jahren zieht die Velowelt dann auf den Täubchenweg 84 - an den heutigen Standort und bleibt dem Osten weiterhin treu. Das Angebot ist groß und die Neugier der KundInnen ebenso. Wer also viel anbietet, muss auch im Werkstattbereich viel abdecken können. Dafür sorgt Alex, dass entsprechende Schulungen gegeben werden, ein Medizinproduktberater-Schein für die Beratung medizinischer Fahrräder vorhanden ist und ein reger Austausch unter KollegInnen gefördert wird. Die Liebe zum Rad beschäftigt Alex schon immer und ist auch genau auf die Vielfältigkeit des Rades zurückzuführen. Früher war es der sportliche Aspekt auf dem Mountainbike. Mittlerweile ist das Rad nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern Lebenseinstellung. „Deswegen Fahrrad. Das ist mein Antrieb“. Im wahrsten Sinne. „Je mehr Leute du aufs Fahrrad bekommst, umso schöner ist es. Besonders, wenn jemand zum Beispiel nach einem Schlaganfall wieder fahren kann und ein Stück Unabhängigkeit gewinnt. Projekte, wie „Freiheit auf zwei Rädern“ unterstützen wir auch sehr gern. Die Mädels lernen Fahrradfahren und bekommen automatisch einen größeren Radius, in dem sie sich frei bewegen können“, erzählt Alex und setzt auf die Mobilität auf zwei Rädern. Langweilig wird es im Velowelt Laden garantiert nicht. Denn für echte Liebhaber bauen sie ab und zu das Fahrradmuseum auf, das einen Querschnitt durch die Radgeschichte von 1912 bis Lars Boom und die Vielfalt auf dem Drahtesel erzählt. Der Gartenverein der Velongerie auf der Bernhardstrasse 92 ist der perfekte Ort für Radsportgenießer und zum Verweilen im Fahrradmuseum.
Ansonsten vergeht die Zeit zwischen Aktionen im Laden, Unterstützung für soziale Projekte und Kundenberatungen für die vier Mitarbeiter im Velowelt wahrscheinlich wie im Flug. Die nächsten kaputten Räder rollen auch schon zur Tür herein und die Augen funkeln wieder. Obwohl wir uns schon fast verabschiedet haben, bleibt ein Blick zu Alex liebstem Stück im Laden nicht aus. Das fällt ihm gar nicht so leicht und er würde am liebsten alle Menschen der Velowelt dazu erklären. Reduziert auf einen Gegenstand zeigt er auf seine Vitrine. In einem Katalog von 1912 findet er einen Kilometerzähler wieder, den ihm ein Kunde vorbeigebracht hat. „Das ist einfach schön“, erzählt Alex. Mit den Worten: „Mal gucken, was kommt. Irgendwas wird kommen“, verabschieden wir uns voneinander, sonst würde ich wohl noch immer Geschichten zu Sternfahrten und Harry Tuinkers lauschen. Reine Liebhaberei. Reine Fahrradkultur in seiner schönsten Form.
Velowelt Leipzig
Täubchenweg 84
04317 Leipzig
+49 (0)341 - 24 68 90 32
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www.velowelt-leipzig.de